Großwohnsiedlungen sind ein integraler Bestandteil vieler deutscher Städte – zwischen den 1950er und 1980er Jahren wurden sie vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus und der Wohnungsnot in der Nachkriegszeit errichtet und sollten dabei eine möglichst hohe Wohnqualität für breite soziale Schichten ermöglichen.
Häufig am Stadtrand gelegen, zeichnen sie sich heute vor allem durch ihre meist sehr hohe bauliche Dichte und serielle Bauweise aus. Von vielen Menschen werden sie als stigmatisierte „Problemquartiere“ wahrgenommen, stellenweise besteht tatsächlich Handlungsbedarf. Zugleich bieten die Siedlungen auch Qualitäten, die vor allem von Bewohner:innen geschätzt werden: Die hohen Grünflächenanteile, verkehrsberuhigte oder -freie Zonen sowie Treffpunkte und soziale Netzwerke zwischen Nachbar:innen werden in Umfragen immer wieder hervorgehoben. Zudem stellen einige aktuelle Studien das Potenzial der Großwohnsiedlungen mit Blick auf eine nachhaltige Stadtentwicklung in den Vordergrund.
Das Forschungsprojekt
Im Auftrag der Vonovia SE sind wir gemeinsam mit unseren Projektpartner:innen – dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem Sachverständigenbüro SLU und der RWTH Aachen – der Frage nachgegangen, welche Faktoren zur Wohnzufriedenheit in den Großwohnsiedlungen beitragen und sich auf das Quartiersimage auswirken. Dazu haben wir vier Großwohnsiedlungen analysiert: Köln-Chorweiler, Kiel-Mettenhof, Dresden-Gorbitz, sowie im österreichischen Raum den Wohnpark Alterlaa in Wien. Darauf aufbauend haben wir untersucht, wie die Siedlungen vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen der Stadtentwicklung zukunftsfähig weiterentwickelt und transformiert werden können und schließlich Handlungsempfehlungen für Wohnungsunternehmen und Prinzipien für neue Quartiersentwicklungen formuliert.
Integrierter, mehrdimensionaler methodischer Ansatz
Die Studie verfolgte dabei einen integrierten, mehrdimensionalen methodischen Forschungsansatz:
Die Informationen zur subjektiven Wahrnehmung wurden mittels einer umfangreichen, zweimonatigen Befragungsaktion generiert, an der insgesamt über 400 Personen teilnahmen. Diese Aussagen wurden im Rahmen von Interviews mit lokalen Expert:innen reflektiert und es konnten weitere Erkenntnisse gewonnen werden.
Erkenntnisse
Insgesamt zeigt die Studie, dass es eine Diskrepanz in der Wahrnehmung zwischen Bewohner:innen und Außenstehenden gibt, die sich allerdings komplexer darstellt als bislang angenommen. Außerdem unterstützt sie die These, dass die konkreten physischen und funktionalen Merkmale der Großwohnsiedlungen einen Einfluss auf das Soziale und das Emotionale haben: Ein zentrales Ergebnis der Studie ist etwa, dass das Erscheinungsbild und der Sanierungsstand von Gebäuden, Wohnungen und öffentlichen Räumen als besonders wichtige Faktoren für Wohnzufriedenheit und Quartiersimage gelten und entsprechende Investitionen und Aufwertungsmaßnahmen eine enorme Wirkung entfalten können.
Großen Wohnungsunternehmen wie Vonovia kommt damit eine besondere soziale Verantwortung hinsichtlich der Pflege und Entwicklung ihrer Bestände zu. Sie können Einfluss nehmen auf die soziale Wirkung von Quartieren und damit auch auf die Lebensqualität ihrer Bewohner:innen.
„Atlas der Großwohnsiedlungen“
Aufbauend auf der Studie ist ein Folgeprojekt – der „Atlas der Großwohnsiedlungen“ – geplant, mit dem offene und neue Fragestellungen in den Blick genommen und dabei auch eine systematische Best-Practice-Analyse gelungener Siedlungsentwicklungen durchgeführt werden soll. Daneben ist eine GIS-basierte, kartographische Untersuchung aller deutschen Siedlungen dieses Typus geplant. Insgesamt soll der Atlas als Nachschlagewerk und als Inspiration für Wohnungsunternehmen und weitere Akteur:innen dienen, die mit der Weiterentwicklung und Transformation von Großwohnsiedlungen befasst sind.
Ort
Köln-Chorweiler, Kiel-Mettenhof, Dresden-Gorbitz, Wien-Alterlaa
Auftraggeber
Vonovia SE
Beauftragung
Studie
Planungszeitraum
01|2022 – 03|2023
Projektpartner
DLR – Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
SLU – Sachverständigenbüro für Luftbildauswertung und Umweltfragen
RWTH Aachen (Lehrstuhl für Städtebau und Entwerfen und Institut für Städtebau und europäische Urbanistik sowie Juniorprofessur zur Sicherung kulturellen Erbes)
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